Erfahrung als Behandelte/r in der Psychiatrie kann in der Regel leider nur als stigmatisierend und als dauerhaft abstempelnd empfunden werden, mit all den traurigen Konsequenzen für eine sich selbst mißachtende Existenz.
Wie wohltuend ist da der Gedanke:
Deswegen wollen wir hiermit eine Sammlung bekannter Persönlichkeiten
anregen, die (möglichst in diesem Jahrhundert gelebt und) Erfahrung
mit Psychiatrie gemacht haben.
Dazu benötigen wir die Kenntnissse all unserer Leserinnen und
Leser, die wir hiermit bitten möchten, uns bei der Suche nach solchen
Menschen behilflich zu sein.
Wir bitten Alkoholismus und Drogenabhängigkeit von
Ver-rücktheit im engeren Sinne auszuklammern, dazu fehlt uns ein klares
Verständnis von diesen Phänomenen.
Für die Sammlung benötigen wir möglichst viele Hinweise,
die öffentlich zugänglich die Psychiatrie Erfahrung belegen.
Wir werden die bekanntesten Personen porträtieren, und die anderen
kurz vorstellen.
Die uns bis jetzt bekannte Liste umfaßt:
Vincent van Gogh, Kurt Gödel, König Ludwig von Bayern, Prinz
Claus, Wilhelm Reich, Robert Walser, Artraud, Picabia, Schröder Sonnenstern,
Johannes Baader, Paul Wittgenstein, Hölderlin.
Zuschriften bitte an das Werner-Fuß-Zentrum !
In einem ersten Porträt soll Kurt Gödel vorgestellt
werden, dessen mathematischer Beweis das Weltbild mit noch unabsehbaren,
fundamentalen Folgen verändert hat.
Gödel gewährte nur wenigen Menschen Einblick in die Quelle seiner Erkenntnisse. Er sagte nicht geradeheraus, was er über die Welt dachte. Er sagte nur, was er beweisen konnte.
Er lebte ein sehr isoliertes Leben, vertraute nur wenigen Menschen und mußte sich wiederholt wegen Depressionen und Überanstrengung in Nervenkliniken begeben. Er war scheu und mißtrauisch, nicht zuletzt gegenüber Ärzten, obwohl er stark mit seinem Gesundheitszustand beschäftigt war. Die Depressionen nahmen zu und entwickelten sich in den siebziger Jahren zur Paranoia mit dem klassischen Syndrom der Angst vor Lebensmittelvergiftung. Als seine Frau Adele 1977 ins Krankenhaus eingeliefert wurde und ihn also nicht mehr versorgen konnte, wurde die Situation sehr ernst. Pflegerinnen wies Gödel an der Tür ab. Er starb am 14. Januar 1978, in „Fötusstellung", wie es heißt. Als Todesursache wurde „Fehl- und Unterernährung" infolge von „Persönlich-keitsstörung" angegeben.
Er hatte der Reichweite des menschlichen Verstandes jenseits der Grenzen des formal Beweisbaren die schönste Huldigung dargebracht, die je von einem Logiker formuliert worden ist. Verstanden wurde sie aber als Ohnmachtspostulat, als technische Finesse, als zeitgebundene Abrechnung mit einem übermütigen Glauben an die Wissenschaft.
Kurt Gödel selbst hat einer Einschätzung des mathematischen
Logikers Hao Wang zugestimmt: „In der Philoso-
phie ist Gödel nicht an das Ziel gelangt, das ihm vorschwebte;
er hat nicht zu einer neuen Sicht der Welt, ihrer grundlegenden Bestandteile
und Regeln ihres Aufbaus gefunden. Einige Philosophen, besonders Platon
und René Descartes (und Ludwig Wittgenstein, die Tipse), sagen,
sie hätten in bestimmten Augenblicken ihres Lebens intuitiv eine solche
Sicht erlebt, die ganz anders gewesen sei als die alltägliche Auffassung
der Welt."
Gödel hat solche Offenbarungen gewiß gehabt, nur wagte er nicht, darüber zu sprechen. Er wagte uns nur das zu sagen, was er in unzweideutigen Worten berichten konnte. Er wagte von seinen Offenbarungen nur mitzuteilen, wie sie von außen aussahen, aus Sicht der Gemeinschaft.