7 Anmeldungen zur Tagung, 5 von uns fahren, genau die zwei, die die persönlichsten Erfahrung haben, können nicht, familiäre Gründe genau an diesem Zeitpunkt, da hilft nur ein psychotische Erklärung, z.B. Gaia oder die Welt verhindert es, da unsere Freiheit ungetrübt von der Erinnerung an das Morden sein soll.
Die Gaskammer - danach weint Karin herzzerreißend - die war so schön, warum ist sie nicht voll Scheiße, Erbrochenen, Gemordeten, man kann so leicht da durch gehen, sie ist entfremdet.
Einer von uns hat wahrscheinlich die angemessenste Reaktion, genau
der, den die Ärzte ganz bestimmt ermordet hätten, er macht Witze,
der Einzige, der hinter dem Spiegel steht.
Sollten wir eine Nacht in der Gaskammer übernachten, hatten wir
uns gefragt, und den Tag danach nur noch Schweigen. Vielleicht hätte
diese Geschmacklosigkeit die Denkschablonen durchbrochen, die zwar wichtige
Erklärungen verabschieden läßt, aber letztendlich unfähig
macht, den doppelten Stacheldrahtverhau einer Sicherungstrakt- Forensik
für Suchttäter gleich hinter der Gaskammer wahrzunehmen, die
liebgemeinte Kunsttherapie zwei Etagen über der Gaskammer, das psychiatrische
Krankenhaus rundherum. Was das soll, ist doch klar - so geht's euch, wenn
ihr uns Normalen mal wieder nicht passen solltet, paßt bloß
auf, durch den Schornstein seid ihr halbverbrannt geraucht, so geht's wenn
eure Leben-wünsche von uns als bedrohlich empfunden werden.
Welche unglaubliche Abspaltung die Verwalter dieser Anstalt aufbringen,
um dafür eine Legitimitätsmaske aufzubauen, welch unglaublich
normopathologische Lieblosigkeit da dahintersteckt, kann nur noch "schizophren"
genannt werden. Einer hat's gemerkt und ausgesprochen: Helmut Forner von
der Lebenshilfe Berlin: Sein Vergleich der Unmöglichkeit eines jüdischen
Wohnheims in Auschwitz Birkenau hat gepaßt, er war parteiisch und
Frau Maren Müller-Erichsen aus demselben Verein hatte keine Berührungsängste,
in unsere Arbeitsgruppe zu kommen, sonst hat sich ja kaum einer getraut.
Warum wird einer von uns dabei akut verrückt, der mit Aktion Sühnezeichen
in Israel das erste Mal die Psychiatrie von innen kennengelernt hat und
hier wieder alte Bekannte trifft?
Zum Abschluß noch die Bioethikdiskussion. Sie ist so schwierig und sofort mit einfachen Moralurteilen zugekleistert, daß die wirklich Dilemmas verschüttet werden.
Der Sinn des Lebens ist zu leben, das ist fundamental.
Heute in der Demokratie fragt man sich, wie soll das Aussehen bei Formen von
menschlichen Leben, das uns nicht die Hand schütteln und "Guten Tag" sagt,
sondern ungeboren ist oder sterben will. Warum war die Frauenemanzipations an
die gesetzlich Regelung der Abtreibungsfrage gekoppelt ?
Die ganzheitlichen Lebenshüter haben nun ja die Transplantation als
Lebendigenfledderei entdeckt und die Emanzipation der Toten steht vor der
Tür. Ein sympatischer Gedanke, solange einem die widerlichen Tyrannen
darunter vom Leibe bleiben. Da ist auch was dran, wenn ich ein additives Informationsquantengeschehen
für grundlegend erkenne.
Mir scheint aber in der Diskussion ein anderes Motiv dahinter zu stecken:
Die Angst vor den Freiheiten des Leben ist größer als vor dem Tod.
Denn die Abtreibungsfrage ist jetzt hierzulande so gelöst, daß
eine Abtreibung zwar unrecht aber straffrei ist, die gleiche Regelung in Nordaustralien
ist unethisch, Sterbehilfe bei Dr. Kevorkian wird offensichtlich also als
etwas grundlegend anderes empfunden als der Engelmacher. Dem kann nur die
evangelische Moral zugrunde liegen, daß wir alle am Leben schuldig sind
und ausschließlich SEIN Leiden uns befreit.
Warum ist es nicht umgekehrt, daß jede Möglichkeit menschlichen Lebens in die Welt zu kommen, die Chance, eine Freiheit und eine Bedingung der Möglichkeit ist, sondern die Bedrohlichkeit einer Bevölkerungsexplosion fantasiert wird. Wenn des Menschen Wille sein Himmelreich ist, warum kann dann nicht jeder gemäß seinem Glauben versuchen, den Freitod suchenden zurückzuhalten, und warum kann nicht eine gesetzlich vorgeschriebene Beratungsprozedur danach einen Sterbehelfer straffrei stellen, auch wenn es unrecht ist was er tut?
Ich werde das Gefühl nicht los, daß die Euthanasiedebatte zur
Zeit von einer merkwürdigen Übertragung lebt: der zuvorderst Ketzermord
der Nazis wird verkörperlicht und als Bedrohung der Krüppel/Körper
fantasiert.
Dann gehört auch einem gesundheitsunwilligen Selbstmörder mit Messer
und Gabel, Zigarttenqualm und Alkohol, der auf seinen möglichst kurzschmerzigen
Herzinfarkts-Tod mit Eiern und Speck, Butter und Junk-Food hinarbeitet, das
Handwerk gelegt, oder ?
Von moralinsauren, gutwilligen, grünlinken Protestanten wird arbeitsgläubig
und fickfeindlich (gerne verwende ich dieses sexistische Wort hier) eine ökonomische
Ableitung bemüht, wo es hingegen um grundsätzliche Glaubensfragen
geht, nur um sich selber zu besseren Menschen zu fantasieren, und ihren „Moral"bedarf
zu stillen.
So wird noch einmal der Blick auf die Vergangenheit verstellt.