Die Tiergartenstr. 4 ist ein anderer Ort als z.B. Grafeneck, die erste funktionierende Mordfabrik der Aktion T4, sondern ähnlich wie das Haus der Wannseekonferenz, ein „abstrakterer" Ort: Da saßen die Schreibtischtäter, und hier wurde der zivilisatorische Abgrund geplant und organisiert. Es geht -meiner Ansicht nach- an diesem Ort um den „Geist", der dahintersteckt, um die kulturelle Einbettung dessen, was in Grafeneck und im Anschluß daran in Belzec, Treblinka usw. vollstreckt wurde.
Die Bilder der Prinzhornsammlung befinden sich im Keller der Psychiatrie
Heidelberg, der Psychiatrie der Universität des „berühmten" Carl
Schneider (der Ordinarius der Rassenhygiene, dem kein Hirn eines ermordeten
Patienten warm genug auf den Seziertisch kommen konnte, um mal rein zu peepen.
Peinlich genug für Herrn Prof. Dörner, lobte er doch Carl Schneiders
Arbeitstherapie in seinen frühen Jahren).
Sie wurden bösgläubig erworben:
Psychiater haben Menschen entmündigt, und ihnen dann das, was sie geschaffen
haben -inzwischen wertvoll gewordene Bilder- weggenommen, obwohl doch gerade
sie die rechtliche Verfügungsgewalt in die Hände von Vormündern
gelegt hatten, von denen sie die Zustimmung dazu hätten einholen müssen.
Nach dem Austellungskatalog der Prinzhornsammlung sind definitiv allermindestens
zwei der Künstler, Franz Karl Bühler und Paul Goesch, der Aktion
T4 zum Opfer gefallen. Die Bilder der Prinzhornsammlung befinden sich in der
Institution der geistigen Väter der Mörder ihrer Maler, an sich
schließt das eine weitere Verfügungsberechtigung aus.
Wer will schon ein Holocaust Museum der Psychiatrie. So etwas würde
auch kaum einer besuchen wollen. Letztendlich kann sich niemand mit einem
Leichenberg identifizieren.
Aber verstehen, wer vernichtet wurde, und was die gedanklichen Zusammenhänge
sind, das ist das Ziel dieser Initiative. Es soll ein Leichtes sein, in das
Denk Mal, das Museum, zu gehen: der Berührung durch die Geschichte der
Menschen, die die Maler repräsentieren, wird man sich nicht entziehen
können, insbesondere da ein 500 m² öffentliches Foyer vorgesehen
ist, um dem Besucher diese Geschichte der Ausgrenzung der „Entarteten" zu
erzählen.
Es gibt meiner Ansicht nach weitere gute Gründe für dieses Konzept:
Nichts erinnert mehr an das alte Gebäude in der Tiergartenstr. 4, alles
Autentische ist getilgt. Bis 1989 sogar ungetrübt durch eine Gedenkplatte,
hat sich das Umfeld der Tiergartenstr. 4 zu einer völlig neu gestalteten
Stadtlandschaft, dem „Kulturforum", entwickelt, die Philharmonie, das Kunstgewerbemuseum
mit dem Welfenschatz und weitere Institutionen der Stiftung preußischer
Kulturbesitz sind hier zuhause.
Und die Neue Nationalgalerie, eine Moderne, die von den Nazis mit Irrenhauskunst
als „Entartet" versucht wurde zu denunzieren, mit Bildern aus der Prinzhornsammlung,
das ist die ästhetische Dimension dieser Mordgesellschaft.
Noch aber fehlt der Schritt zur Akzeptanz dieser Nähe von der Seite der
Kunst aus, das Ende eines Verständnisses, daß man durch Irrenkunst
denunzierbar sein soll, und ein menschliches, kein professionell therapeutisches
Interesse an Irren bzw. psychiatrisierten Menschen.
In diesem Kontext, im kulturellen Herzen der Hauptstadt Berlin, gleich um die Ecke von den zentralen Institutionen der Demokratie in Deutschland (sozusagen im Vorzimmer des Kanzlers und des Präsidenten), ist die Tiergartenstraße 4 ein Ort, der sich jedem einprägen soll, weil ein Denk Mal ihn daran erinnert.
Das Denk Mal soll konkretisieren, daß gerade das, was die Mörderbande auszurotten versuchte, gerade das von ihr als „entartet" Denunzierte, ihren Platz eingekreist und markiert hat. Und vielleicht gelingt es damit sogar, ihren Ansatz ein Stück weit zu bannen, in gewisser Weise den Versuch eines „kultisch" beschwörerischen Akts zu unternehmen, weil das Geschehen sowieso nur beschränkt der Rationalität zugänglich ist.
Einer der Initiatoren