„Schöne neue Psychiatrie"

    Stellungnahme zum Buch von Peter Lehmann,
    Antipsychiatrie Verlag Peschkestr. 17,  12161 Berlin
     

    Im Antipsychiatrieverlag Peter Lehmann sind im Novem-ber 1996 die beiden Bände „Schöne neue Psychiatrie" erschienen.
    Die beiden Bände arbeiten ähnlich wie der "Chemische Knebel" (auch von Peter Lehmann und auch in seinem Verlag erschienen), die wirkungsweise von Psychophar-maka sowie Elektroschock auf. Die einzelnen Gruppen der Psychopharmaka wie Neuroleptika („antipsycho-tische Mittel"), Antidepressiva und Psychostimulantien werden unterschieden und einige gebräuchliche Präparate werden beispielhaft separat analysiert. Dabei behauptet Lehmann, daß diese Präparate hochschädlich sind, insb. Neuroleptika schon bei geringer Dosis zum Tode führen können, Selbstmordabsichten hervorrufen oder kontrain-diziert (sie bewirken das Gegenteil dessen, was bezweckt werden soll) wirken. Die verschiedensten schädlichen und „Neben"-Wirkungen werden ausführlichst dargestellt. In der eigenen Buchbesprechnung des Verlages heißt es:
    „Das Buch ermöglicht eine fundierte und unabhängige Entscheidung - Einnahme von Psychopharmaka .....trotz erheblicher Gesundheitsrisiken - oder lieber doch nicht."
    Aus meiner Sicht ist das nicht das Hauptproblem für Psychiatrie-Erfahrene. Die Frage stellt sich: Wie erkämpfe ich mir stationär überhaupt das Recht, entscheiden zu dürfen, ob ich Psychopharmaka nehmen will oder nicht. Auch ambulant ist das Mitspracherecht z.b. über die Dosis durchaus nicht selbstverständlich. Es werden Depotsprit-zen gegeben, bei denen der Patient häufig genug weder die Dosis kennt noch das Präparat. Er/Sie weiß gar nicht, wenn er/sie wieder auf Tabletten umsteigen will, wieviel Tabletten das überhaupt sind. Neuroleptikaeinnahme kann als Auflage gemacht werden, um entlassen zu werden, oder um Sozialhilfe zu bekommen. Es obliegt also dem Einzelnen, einen"guten" Arzt bzw. Rechtsanwalt zu fin-den, der ihm die persönliche Freiheit nach Beratung läßt, z.B. selber die Dosis zu bestimmen.
    Das Wesentliche scheint mir in unserer psychiatriekriti-schen Arbeit nicht zu sein nachzuweisen, wie schädlich Psychopharmaka sind. Es ist sicher wichtig, aber das Wichtigste ist unsere Freiheit, die Freiheit, Psychophar-maka abzulehnen bzw. die Dosis selbst zu bestimmen, die Freiheit der Aufenthaltsbestimmung. Wir wollen der Fra-ge nachgehen, welche Wünsche haben wir, wie können wir uns selber und gegenseitig helfen, so daß wir keine Psychopharmaka brauchen.
    Aus Lehmanns Buch resultiert eher die Frage: Wie erfinde ich eine chemische Substanz, etwa ein Naturheilmittel, das möglichst unschädlich ist und die optimale Wirkung erzielt? Mit diesem Forschungsvorhaben würde auch jeder Psychiater übereinstimmen. Damit sind wir aber in unse-rem Bedürfnis nach Freiheit und Legalisierung der Ver-rücktheit noch kein Stück weiter.

    Eleonora Ernst
     
     
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