Die Irren-Offensive - Nr. 9
Vorsorgevollmacht sprengt Zwangspsychiatrie

Der folgende Text wurde als Flugblatt bei der Jahresversammlung der DGSP (Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie) verteilt und gibt unsere Antwort darauf wieder, wie der Vorstand der DGSP das Angebot der Irren-Offensive (Tischvorlage rechts) auf Zusammenarbeit mit der DGSP zur politischen Abschaffung der Zwangspsychiatrie abgewürgt hat (Briefausschnitt unten):

Warum wird eine Diskussion und Beschlußfassung dieses Vorschlags durch die Mitgliederversammlung vom DGSP Vorstand zum Tabu erklärt?

Weil das Thema Gewalt der Zwangspsychiatrie nicht zum Thema einer Mitgliederversammlung werden darf!
Damit hat dieser Vorstand inhaltlich seinen Anschluß an die DGPPN vollzogen!

Denn wenn die Frage nach dem Ende von Zwangspsychiatrie offensichtlich die Existenz von psychiatrischem Handelns so in Zweifel ziehen kann, daß diese Frage nicht diskutiert werden darf, dann hat sich eine Identität von Psychiatrie mit Zwangspsychiatrie vollzogen - es gibt keine Psychiatrie ohne identitätsstiftenden Bezug zum Zwang und durch das Handeln dieses Vorstands bewahrheitet sich unser Wissen um das Psychiatrischen System: es ist AUSSCHLIESSLICH ein Gewaltappart zur Ausgrenzung von Sündenböcken und Kontrolle der Gesellschaft - alles Sozial-Gejodele ist nur legitimatorisches Geschwätz und betuliches Gehabe zur Verhüllung dieses wahren Kerns und zur Selbstversorgung angeblicher Versorger!

Dazu passt auch Herrn Dr. Stierls Aussage (Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der DGSP, geäußert vor ca. 30 Zeugen während des Gesprächs am 12. Juni und von den anwesenden Mitgliedern des erweiterten DGSP Vorstands unwidersprochen):

"psychische Krankheit ist für mich genauso eine Krankheit wie Syphilis"

Genauso eine Krankheit wie Syphilis - da fehlen nur noch die Seuchengesetzte gegen die angebl. "psychisch Kranken". Ihre "Verfehlung", die Vernunft z.B. eines Herr Dr. Stierl in Frage gestellt zu haben, entspricht in seiner Gleichsetzung, daß hwG der ehelichen Moral abträglich ist.
Herr Dr. Stierl - Ihr Auftritt ist gefragt, sie haben sich objektiv zum Verhandlungführer für die Fusionsgespräche mit der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde) qualifiziert!

Und noch was passt dazu: wie sich nächstes Jahr die Profession der Täter und ihrer Schergen wieder an den Tatort zurückstehlen will - die Vorbereitungstreffen der DGSP Mitgliederversammlung 2000 in T4 -Berlin werden von der Berliner DGSP in der sog. Karl Bonhoeffer-Nervenklinik angekündigt, nicht in der "Lady-Diana-Clinik", wie diese Zwangspsychiatrie seit der Umbenennung durch den Landesverband Psychiatrie Erfahrener am 50 ten Jahrestag der UN Menschenrechtserklärung , dem 10.12.1998, heißt. Das Tun und Lassen dieses Herrn Karl Bonhoeffer ist inzwischen ins rechte Licht gerückt worden: in Israel hat der Bildhauer Igal Tumarkin das vormalige Götzenbild von Bonies Ranch gar trefflich transformiert, und das Hakenkreuz auf der Stirn sichtbar gemacht.

Tischvorlage des Gesprächs des Erweiterten DGSP Vorstands mit der Irren-Offensive am 12. Juni in Hannover

Irren-Offensive und DGSP unterscheiden sich fundamental in ihrer Wahrnehmung von Psychiatrie: Während die Irren-Offensive behauptet, daß Psychiatrie ein reines Gewaltsystem ist und die Existenz einer psychischen Krankheit in Abrede stellt, sieht die DGSP in Psychiatrie ein System der therapeutischen Hilfe für seelisch erkrankte und verstörte Menschen.

Unabhängig von den unterschiedlichen Sichtweisen, ergibt sich eine Übereinstimmung hinsichtlich des Umganges mit den von psychiatrischem Handeln Betroffenen. Deshalb soll am 12. Juni 1999 in Hannover folgende Übereinkunft getroffen werden:

Die Kritik an der Psychiatrie kann grundlegend nur durch die Abschaffung der besonderen psychiatrischen Gesetze (Zwangseinweisung, Zwangsbehandlung, zwangsweise Betreuung, sowie Forensik als Teil der Psychiatrie, nicht des Haftkrankenhauses) entkräftet werden, Psychiatrie muß medizinalisiert und auf eine Grundlagen gestellt werden, die menschenrechtlich keine Bedenken aufkommen läßt. Die Würde des Menschen erfordert, daß ausschließlich jeder Mensch selbst für sich entscheiden kann, ob Selbstbestimmung durch die Existenz einer psychischen Krankheit verloren gehen kann: Deshalb darf notwendige Gewalt - die ja eingesetzt wird, um die durch die Existenz einer psychischen Krankheit verlorene Selbstbestimmung wiederherzustellen - auch nur von dem/r Betroffenen legitimiert werden.

Die DGSP wird sich zusammen mit anderen psychiatrischen Fachverbänden nach einem Erfolg der Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der psychiatrischen Gewalt für ein flächendeckendes und werbegestütztes Angebot der „positiven psychiatrischen Vorausverfügung" einsetzten.

Als gemeinsames Projekt von DGSP und Irren-Offensive wird ein Zeitraum von 10 Jahren (2½ Legislaturperioden der Bundesregierung) vereinbart, um die entsprechenden gesetzlichen Änderungen zu erreichen. Erste Schritte sind von Seite der Irren-Offensive die Einbeziehung des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener und seiner Landesverbände und von Seite der DGSP die Einbeziehung der Klinikdirektorenkonferenz in dieses Projekt.

Sollten die Bemühungen mit der Klinikdirektorenkonferenz scheitern und somit keine bundesweite Regelung in einem Anlauf erreicht werden können, so werden gemeinsam ein bis zwei Bundesländer ausgewählt, in denen die gesetzgebende Kompetenz der Länder dazu genutzt wird, dort mit einer gezielten Kampagne die gesetzliche Änderung bis 2009 zu erreichen.

Begründung:
Jenseits der Frage, ob eine psychische Krankheit überhaupt existiert, sind sich DGSP und Irren-Offensive einig, daß menschliches Verhalten - ob als krank bezeichnet oder nur als störend empfunden - Gründe hat. Hätte es Ursachen und würde es sich um eine neurologische Krankheit handeln, so würde der medizinische Grundsatz des Informed Konsent gelten, der für Diagnose und Behandlung das Einverständnis des Patienten voraussetzt (DGSP und Irren-Offensive sind sich einig, daß Seuchengesetzliche Vergleiche absurd sind).

DGSP und Irren-Offensive sehen mit wachsender Besorgnis eine Renaissance von Neo-Nazi-Eugenik, die in einem Boom psychiatrischer Genetik ihren Höhepunkt findet. Die Prämisse der psychiatrischen Genetik, es seien genetische Faktoren ursächlich für einen Bedarf von psychiatrischer Behandlung, ist entweder der blanke menschenverachtende Rassismus - die Behauptung eines ewig psychisch Kranken, wie eines „ewigen Juden" - oder Unsinn. Eine Wiederbelebung der "genetischen Aristokratie" (Riffkin) ist "im Keim" zu ersticken. Aus dieser Ablehnung heraus sind sich Irren-Offensive und DGSP einig, daß soziale, moralische und politische Fragen zur „Behandlung" störenden bzw. „kranken" Verhaltens beantwortet werden müssen.

Um diese Fragen auf die gesellschaftliche Agenda zu bringen, muß dafür überhaupt erst die politische Notwendigkeit geschaffen werden, denn solange legalisierte, aber von den Betroffenen abgelehnte psychiatrische Gewalt als Lösung besteht, schafft sie Opfer und Täter, bringt diese gleichermaßen in eine prekäre Situation und produziert Tragik auf allen Seiten.

Nach den bisherigen Versuchen, Psychiatrie zu reformieren, aber die gesetzlichen Grundlagen psychiatrischer Gewalt im Kern unangetastet zu lassen, ist dieser Schritt zu einem psychiatrischen Pazifismus nunmehr geboten.

 

Hoch die Internationale
der Menschenrechtsschinder,
in Linie mit der WPA!

Irren-Offensive
Haus der Demokratie und Menschenrechte
G
reifswalder Straße 4
10405 Berlin

11.11.99

Sie schlugen auf der gemeinsamen Sitzung am 12. Juni d.J. vor, im Rahmen der diesjährigen DGSP-Mitgliederversammlung eine Diskussion über die unterschiedlichen Sichtweisen von psychischen Erkrankungen und der Art und Weise des Umgangs mit psychisch erkrankten Menschen zu fahren. Als Ziel formulierten Sie die Aufhebung der gegeben Grundlage für psychiatrische Gewalt und flächendeckende Einführung der 'positiven psychiatrischen Vorausverfügung' (Ihr e-mail v. 13.Juni 1999).

In seiner Sitzung letzten Sitzung hat der Geschäftsführende Vorstand der DGSP Ihren Vorschlag beraten und beschlossen diese Diskussion nicht zu fuhren.

Mit freundlichem Gruß

Deutsche Gesellschaft für
Soziale Psychiatrie e.V.

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