Die Irren-Offensive Nr. 10

Karl Bonhoeffer: "Personenkreis der Auszumerzenden"

Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V.
im Werner-Fuss-Zentrum

Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin

Tel.:030-2911001
Fax.: 030-782 8947
werner.fuss@beriin.de
www.psychiatrie-erfahrene.de

 

Dienstag, 13. Juni 2000

Sehr geehrte Frau Schwarzbach,

wie Sie der beiliegenden Pressemitteilung entnehmen können, weichen unsere Vorstellungen von einem Mahnmal in Berlin-Buch, gerade auch noch im Max Delbrück Zentrum, drastisch von Ihren Vorstellungen ab.

Wie Sie den ebenfalls anliegenden Presseberichten entnehmen können, können wir wegen der unserer Ansicht nach rechtswidrigen Intervention des Staatsschutzes unseren Vorschlag zur Zeit nicht einmal der Öffentlichkeit präsentieren!!

Wir möchten Sie bitten, Ihren Vorschlag für ein Denkmal in Berlin Buch solange zurückzuziehen, bis in einem öffentlichen Diskurs geklärt ist, in welcher Form in Berlin-Buch gedacht werden soll: In den Broschüren des Max Delbrück Zentrums wird doch tatsächlich der Eugeniker Karl Bonhoeffer als Vorbild hervorgehoben, "an denen sich die heutige Wissenschaft in innerer Haltung und Ethik orientieren muß"!! (Kopie anbei)

Wollen Sie etwa den Dingen Ihren Lauf lassen und am Ende mitverantwortlich werden, daß mit 'In Ehrfurcht vordem Schwächeren'ein weiteres Mal mit legitimatorischen Gesten das Schweigen über die Täter ausgebreitet wird, und zusätzlich dem Versuch von Herrn Diepgen in die Hände arbeiten, der durchsetzen will, daß anderen Opfergruppen nur weit außerhalb der Innenstadt gedacht werden soll? (Kopie der DPA Meldung vom 30.5. anbei). Das ist seine offen gelegte Strategie zur Verhinderung des "Haus des Eigensinns".

All dies würde allerdings unseren entschiedenen Protest hervorrufen, obwohl Streit keine sehr würdige Form des Gedenkens wäre.

Ober eine positive Reaktion auf unsere Bitte, würden wir uns freuen!

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Berliner Behinderten Zeitung

Seite 22
BBZ 7-8/2000


LESERBRIEFE

Zur Diskussion eines Mahnmals in Berlin-Buch:

Sehr geehrte Redaktion,

Nachdem ich die Pressemitteilung des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener gelesen habe, schließe ich mich diesen Argumenten gegen das von Frau Anna Franziska Schwarzbach vorgeschlagene Mahnmal „In Ehrfurcht vor dem Schwächeren" an:

Frau Schwarzbachs Vorschlag bestätigt durch die Festschreibung und Konzentration auf einen „Schwächeren" dessen Rolle als Opfer, statt auf die Verbrechen der Täter in Berlin-Buch hinzuweisen. Damit reproduziert der Vorschlag die herrschende Ideologie der „Schwäche" Behinderter und verhüllt noch einmal mehr die antisozialen Taten der Wissenschaftler/innen, deren „Schwäche".

Außerdem verfängt sich Frau Schwarzbach in einer diskriminierenden Rhetorik von „Ehrfurcht", auch wenn diese Diskriminierung positiv gemeint sein sollte. Durch diese Geste wird Menschen mit Behinderung ein emanzipatorischer Schritt zusätzlich erschwert und im Ergebnis die bestehende „satt und sauber" Mentalität bestätigt. Sicher ist Erinnern wichtig, aber wenn die Form des Er-innems als Karikatur auf die Opfer daherkommt, werden solche „Mahnmale" kontraproduktiv: sie bedienen ein „Erinnern", dass tatsächlich das Vergessen organisieren soll. Somit ist auch die Kompatibilität dieses „Mahnmal"-Entwurts mit der Genetik-Forschung in Berlin-Buch zu verstehen: all' die neue Eugenik nur zum „Besten" für die "Schwächeren"!

Annegret Heinker

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