Die Irren-Offensive
Nr. 12
Zeitschrift von Ver-rückten gegen Psychiatrie

Briefwechsel
der sich der Zustellung unserer Forderung
an die Bundestagsabgeordneten anschloß

Joachim Stünker
Mitglied des Deutschten Bundestages
Rechtspolitischer Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion


Deutscher Bundestag
Platz der Republik
11011 Berlin

Dienstgebäude
Jakob-Kaiser-Haus Wilhelmstraße 68 Zi. 1.327

W-F-Z
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin

 

Berlin, den 22.3.2004/ms

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 2. März 2004, welches ich auch im Namen meiner Fraktionskolleginnen und - kollegen beantworten möchte.

Ihrer Forderung nach einer Neuformulierung des § 1896 Abs. 1a BGB-E dahingehend, dass der natürliche Wille ausreichen soll, um die Einrichtung einer Betreuung zu verhindern, kann ich mich nicht anschließen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine Betreuung eingerichtet werden, wenn der Betroffene wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten zumindest teilweise nicht besorgen kann. Nach den Vorstellungen des Bundesrates soll dies nicht gegen den freien Willen des Betroffenen erfolgen können.

Die entscheidende Frage ist, wann die Rechtsordnung eine derartige Entscheidung des Be-troffenen als wirksam akzeptiert. Der Gesetzentwurf des Bundesrates führt in der Begrün-dung zu recht aus, dass die §§ 104 Nr. 2 BGB und 1896 Abs. 1 a BGB-E im Kern das gleiche Phänomen beschreiben. Die Erwägungen, die der Bestimmung der Geschäftsfähig-keit zugrund liegen, müssen auch für den hier angesprochenen Bereich gelten. Sich wirksam gegen die Einrichtung einer Betreuung aussprechen zu können, setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, das Für und Wider einer Betreuerbestellung abzuwägen und eine der Ein-sicht entsprechende Entscheidung zu fällen.

Der sog. natürliche Wille, d.h. eine Willensäußerung, der zumindest eines der genannten Merkmale fehlt, soll unserer Auffassung nach nicht ausreichen, um die Bestellung einer Betreuung zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Joachim Stünker


Darauf antworte das Bündnis für einen anderen 1896 Abs. 1a BGB

An den Abgeordneten der SPD Fraktion
Herrn Joachim Stünker
Platz der Republik 1
Berlin

 

19. April 2004
Sehr geehrter Herr Stünker,

in Ihrem Schreiben vom 22.3.2004 lehnen Sie im Namen der SPD-Fraktion im Bundestag unsere Forderung ab, die Bestellung eines rechtlichen Vertreters gegen den erklärten Willen des Betroffenen durch eine entsprechende Änderung des § 1896 Absatz 1a auszuschließen.

Zur Begründung Ihrer Position wiederholen Sie lediglich die entsprechenden Passagen des Gesetzentwurfes. Mit keiner Silbe gehen Sie jedoch auf unsere Argumentation ein, daß nur die unbedingte Anerkennung des erklärten Willens den Betroffenen vor einer willkürlichen Entrechtung schützen kann, die konstruierte Differenzierung des Willens in einen „freien” und einen - bei Bedarf unerheblichen - „natürlichen” Willen dagegen dem Staat mit Hilfe subjektiver Gefälligkeitsgutachten jederzeit die Möglichkeit gibt, den Betroffenen radikal seiner Grundrechte und Würde zu berauben.

Ihrem bisherigen Schweigen zu der genannten Problematik müssen wir leider entnehmen, daß für Sie die Durchsetzung staatlicher Interessen mit Hilfe des Betreuungsrechts den Vorrang hat und Ihnen der Schutz der Betroffenen vor willkürlicher Entrechtung unwichtig ist.

Sollte dies zutreffen, dann fordern wir Sie hiermit auf, aufrichtig und konsequent zu sein und sich aktiv für eine Rückbenennung von „Betreuung” in „Entmündigung” einzusetzen. Andernfalls müßten wir Sie in Zukunft der Heuchelei und Lüge bezichtigen.

Oder erklären Sie uns bitte, wie die von Ihnen und Ihrer Fraktion befürwortete Regelung zur Zwangsbetreuung eine - irreführend „Betreuung” genannte - Entmündigung ausschließen und das Vormundschaftsverfahren den üblichen rechtsstaatlichen Mindestnormen gerecht werden kann.


Mit freundlichen Grüßen

gez. Matthias Seibt
gez. Franz-Josef Wagner
gez. Peter Weinmann
gez. Ronald Kaesler
gez. Annette K. Lorenz
gez. Iris Hölling
René Talbot, Uwe Pankow, Christine Halmi, Jan Grot

Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Thomas-Mann-Straße 49a, 53111 Bonn
Fax: 0228-658063
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www.bpe-online.de

Bundesverband Graue Panther e.V.
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
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F.J.Wagner@gmx.net
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Landesverband Psychiatrie-Erfahrener
Saar e.V.
Bismarckstraße 106a, 66121 Saarbrücken
Tel/Fax.: 0681-906 7769
lvpesaar@gmx.de

Landesverband Psychiatrie-Erfahrener
Schleswig-Holstein e.V.
c/o Lutz Jäger
Seestr. 2, 24211 Pohnsdorf
Tel.: 04342-889304
jaegerlutz@yahoo.de

Projekt Buddy e.V.
Nassauische Straße 4, 10717 Berlin
Tel: 0178-396 58 06
lorenz@projekt-buddy.de

Verein zum Schutz vor psychiatrischer
Gewalt e.V. Weglaufhaus Villa Stöckle
Postfach 280 427, 13444 Berlin
Tel.: 030-406 32146 Fax: 030-406 32147
weglaufhaus@web.de
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