Die Irren-Offensive
Es gibt keine "psychische Krankheit", nur Rufmord verbrämt als "Diagnose"


Warum psychiatrische Zwangsbehandlung Folter ist

Es sind drei Kriterien, die vor dem Gesetz Folter definieren: Erstens Handlungen die Schmerzen zufügen, die zweitens von staatlichen Organen ausgeübt werden, um damit drittens eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen. Die ersten beiden Bedingungen sind bei der Zwangspsychiatrie zweifellos erfüllt. Ob auch die dritte Bedingung zutrifft und was Folter im Kern ausmacht, darum geht es in dem Interview mit Heiner Bielefeldt und in dem Gespräch mit Wolf-Dieter Narr.

Der folgende Ausschnitt ist Teil eines Gesprächs mit dem Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Dr. Heiner Bielefeldt, das René Talbot und Jan Groth für den Dissidententenfunk am 3. November 2005 geführt haben:


Dissidentenfunk: In den USA haben der Präsident und das Verteidigungsministerium 2002 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Folter in eine zulässige und eine unzulässige Form der Nötigung zu unterteilen versuchte. Interessant dabei ist, dass das zwangsweise Verabreichen von „mind altering drugs“ selbst bei diesem Versuch, bestimmte Formen der Folter zu legitimieren, regelmäßig als schwere Folter angesehen wird, also jenseits dessen, was man tolerierbar wäre. Was sagen Sie dazu?

Heiner Bielefeldt: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.

Nun, unter dem Prädikt, es gäbe Menschen und „Geisteskranke“, scheint der Einsatz von „mind altering drugs“ eben doch möglich zu sein. Aber das bedeutet doch, dass Menschenrechte teilbar sind.

Also Ihr Punkt war: „mind altering drugs“ werden als schwere…

… als schwere Folter verstanden. Der sozusagen „loseste“ Folterbegriff trifft für „mind altering drugs“ zu, aber nicht wenn sie angeblich „Geisteskranken“ aufgezwungen werden.

Ich bleibe dabei: Bei der Defintion von Folter muß man alle drei Definitionsmerkmale im Blick behalten – da geht es im Wesentlichen um die Zwecksetzung.
Ich kenne mich in dem Phänomenbereich nicht aus und will mich hier deshalb auch nicht zu den praktischen Konsequenzen dessen äußern, was da mit „mind altering drugs“ passieren kann. Es sträuben sich einem ja die Nackenhaare, wenn man das hört: „mind altering drugs“. Aber das ist kein Bereich, in dem ich eine Expertise hätte.
Es bleibt aber dabei, wesentliches Kriterium von Folter ist die „Fremdnützigkeit“, also die Verzweckung eines Menschen zugunsten anderer, zugunsten von Einschüchterung, zugunsten von Aussagegewinnung – das ist wesentlich. Wenn ich jetzt sage, dass wir damit nicht im Bereich der Folter sind, sondern in anderen Bereichen, dann heißt das nicht, dass man dem Ganzen einen menschenrechtlichen Segen geben würde.

Dürfen dann andere noch etwas an der Tätigkeit in der Psychiatrie verdienen? Sie verdienen auf alle Fälle ihr Gehalt damit.Na ja, also da sehe ich im Moment keinen Zusammenhang. Also dass alle Tätigkeit…

Fremdnützig ist es auf alle Fälle für den Arzt, der der Herrscher der Situation ist …

Ach so!

Er hat sein Haus voll, er kann es sozusagen beliebig voll machen, weil er Zwang anwenden kann.

Ach so! Jetzt verstehe ich die Frage. Mit der Fremdnützigkeit ist Folgendes gemeint: Der Eingriff als solcher, ist im Falle der Folter die Instrumentalisierung des Menschen und zwar die ausschließliche, die völlige Verdinglichung des Menschen zu fremden Zwecken. Dass wir alle einander instrumentalisieren, insofern, als wir miteinander verkehren, um irgendwie auch Geld zu verdienen, das ist einfach Bestandteil menschlichen Lebens. Es geht um die totale Verdinglichung dadurch, dass jemand einer Situation unterworfen wird, wo sein Wille völlig zerstört, völlig gebrochen wird und zwar zu Zwecken anderer. Das ist sozusagen der Phänomenbereich, der Definitionskontext von Folter, das sind die Definitionsmerkmale der Folter, die Total-Verzwecklichung eines Menschen, der zugunsten Dritter ausgeliefert ist, und zwar so, dass es dem Staat direkt oder indirekt zugerechnet werden kann. Und die Psychiatrie ist nicht per definitionem Folter, mit Sicherheit nicht.

Davon redet auch keiner.

Auch die Zwangspsychiatrie wäre nicht per definitionem Folter.

Das ist die Frage. Wahrscheinlich genau die, wie man diese Fremdnützigkeit nun definiert. Wir haben schon zwei Punkte angesprochen. Ein weiterer Punkt wäre, dass man die Menschen einer Ideologie opfert, der Ideologie der „psychischen Gesundheit“.

Ja, das müsste man aber dann sehr genau zeigen…

... und das wäre ein guter Grund, sich damit mal konkret zu befassen. Das wird bisher aber leider nicht getan und für mich stellt es sich da schon die Frage, wie so ein zentraler Bereich der Gesellschaft, mit hunderttausenden Opfern, dass der kein Thema ist?

Na ja, es stimmt ja nicht so, dass er kein Thema wäre. Es stimmt sicher, dass er viel stärker thematisiert werden sollte, da stehe ich auf Ihrer Seite.

Das Interview wurde für den Abdruck in der Irrenoffensive leicht bearbeitet. Das Originaltranskript und den Audiomitschnitt gibt’s im Internet: www.dissidentenfunk.de/archiv/s0601/#t05trackinfo

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